Laufende Habilitation

Die Arbeit fragt nach der praktischen Ausgestaltung von Selbstoptimierungsappellen und gouvernementalen Regierungsversuchen im Betrieb und bettet diese in eine internationale und integrierte Geschichte der Bildung, der Arbeit, der Wirtschaft und der Subjektivierung ein. Dabei wird die gängige soziologische Erzählung über die Genese der Sozialfigur des „unternehmerischen Selbst“ kritisch hinterfragt, indem die Propagator*innen, die Entwicklung, die soziale Reichweite und Wirkmächtigkeit der dahinterstehenden Versprechen und Imperative historisiert werden.
Die Arbeit versucht für den Zeitraum zwischen 1945 und 1989, die Makroperspektive internationaler bildungs- und arbeitsmarktpolitischer Diskurse und Entscheidungen, die Mesoebene medialer, politischer und wissenschaftlicher Auseinandersetzungen von Arbeitgeber*innen, ihren Interessenverbänden, Weiterbildungsanbietern, Gewerkschaften und Expert*innen und zuletzt die Mikroebene der konkreten betrieblichen Weiterbildungsstrukturen und -praktiken in deutschen Großunternehmen als Teil einer gemeinsamen Geschichte zu erzählen, die um die Gestaltung der Zukunftsfähigkeit und um die Verteilung von individuellen Chancen kreiste.
Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung bestehen einmal in einer Uminterpretation der etablierten Geschichte des „lebenslangen Lernens“ und des „unternehmerischen Selbst“ von den Versuchen einer neoliberalen Zurichtung arbeitender Subjekte hin zu einer Erzählung von den Produktionsbedingungen sozialer Ungleichheit durch eine auf den Betrieb fokussierten Bildungskultur. Zweitens reinterpretiert die Untersuchung die von der Gouvernementalitätsforschung betonten subtilen Anreizmechanismen kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse, in dem sie auf die bis weit in die 1980er Jahre vorherrschenden Zwänge und Disziplinierungsversuche in betrieblichen Weiterbildungsstrukturen hinweist. Drittens arbeitet die Studie die Selbstreferenzialität betrieblicher Weiterbildungspraktiken heraus, die zwar als Investitionen in das unternehmerische Humankapital galten, aber in ihren konkreten Auswirkungen und Erträgen für die Unternehmen, ebenso wie für die teilnehmenden Individuen, ein Quell der Unsicherheit blieben.

Zum Profil von Dr. Franziska Rehlinghaus


Abgeschlossene Habilitation

Der Schlaf und, eng damit verknüpft, der Traum sind seit Jahrtausenden Gegenstand von Mythen, Erzählungen und Bildern, die versuchen, Schlafen in seinem Wesen und seiner Bedeutung für die menschliche Existenz zu erfassen. Auch heute ist das „Geheimnis des Schlafs“ noch immer nicht gelüftet. Doch obgleich der Schlaf selbst und auch das Nachdenken über ihn als „anthropologische Konstante“ begriffen werden könnten, hat sich mit den Ideen einer „aufgeklärten Welt“ und der Etablierung moderner Wissenschaften die Art und Weise, wie Schlafen gedacht, beschrieben, erforscht, vermessen, kontrolliert und praktiziert wurde, entscheidend verändert. Die Geschichte des Schlafwissens in Deutschland und den USA im „langen 20. Jahrhundert“ ist dabei weit mehr als die Geschichte einer wissenschaftlichen Idee: Das Wissen über den Schlaf war eng verknüpft mit kulturellen Deutungsmustern, ideologischen Setzungen, sozialen Veränderungen und Machtverhältnissen und ökonomischen Interessen in der modernen Gesellschaft. Von Beginn an ging es den „Schlafexperten“ nicht nur um Verstehen und Heilen, sondern auch darum, dass das Individuum den industriellen Alltag und den Arbeitsprozess besser bestehen konnte. Eine historische Untersuchung des Schlafwissens kann aufzeigen, auf welche Weise die Gesellschaft des 20. Jahrhunderts mit Hilfe von Wissenschaft auf das Individuum zuzugreifen versuchte. Gleichzeitig zeigt die Geschichte des Schlafwissens auch die Grenzen von Optimierungs- und Kontrollphantasien auf: Bis heute „widersetzt“ sich der schlafende Mensch dem Vermessen und Verstehen, die Fortschritte der Schlafforschung gehen Hand in Hand mit der wachsenden Angst vor existenzbedrohenden Schlafstörungen.

Film "Der Traum vom Schlaf" bei L.I.S.A. (Gerda Henkel Stiftung)