Presseinformation: Gemeinsame Provenienzforschung
Nr. 200 - 12.12.2023
Aufarbeitung in den anthropologischen Sammlungen der Universität Göttingen und im MARKK Hamburg
(pug) Die Universität Göttingen und das MARKK untersuchen zusammen die Provenienzen menschlicher Überreste aus ehemals kolonisierten Gebieten. Ein zunächst zweijähriges Forschungsprojekt widmet sich Gebeinen, die zwischen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als sogenannte „Anthropologische Sammlung“ im damaligen Museum für Völkerkunde in Hamburg (heute MARKK) verwahrt und nach Auflösung der Abteilung Anfang der 1950er Jahre in mehreren Schritten an die Universität Göttingen abgegeben wurden. Nach jetzigem Wissensstand verblieben 57 menschliche Überreste im MARKK, die nun gemeinsam mit Beständen in Göttingen untersucht werden, um dann Gespräche über ihre Repatriierung beginnen zu können. Das Projekt wird vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert.
„Mit der lange überfälligen Aufarbeitung dieser Provenienzen stellt sich das MARKK seiner historischen Verantwortung“, so die Direktorin des MARKK Barbara Plankensteiner. „Als ab 2020 im Zuge einer umfassenden Inventur 57 Gebeine aufgefunden wurden, die zur ehemaligen „Anthropologischen Sammlung“ gehörten, haben wir zuerst den Sammlungskontext geprüft und dann mit der Universität Göttingen die Forschungsmittel beantragt.“
„Die Aufarbeitung unserer Göttinger Bestände leistet einen wesentlichen Beitrag zur aktuellen Diskussion über das koloniale Erbe universitärer Sammlungen“, so der Präsident der Universität Göttingen Prof. Dr. Metin Tolan. „Dass dies in diesem Fall in enger Kooperation mit dem MARKK Hamburg sowie mit Unterstützung von Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus dem globalen Süden geschieht, ist immens wichtig und freut mich sehr.“
Ziel des Projekts ist die Rekonstruktion der Erwerbskontexte und Transferwege der Bestände sowie die Umstände ihrer Übertragung vom damaligen Museum für Völkerkunde Hamburg an die Universität Göttingen. Die so gewonnenen Erkenntnisse versetzen das MARKK und die Hochschule in die Lage, die Herkunftsländer proaktiv und detailliert zu informieren und eine Verständigung über den weiteren Umgang mit den menschlichen Überresten und ihre Repatriierung zu erzielen. Ein Workshop mit Expertinnen und Experten aus den Herkunftsländern soll einen Wissenstransfer in beide Richtungen ermöglichen.
Geleitet wird das Projekt vom Historiker Dr. Holger Stoecker von der Universität Göttingen. „Aus der Geschichte der Anthropologischen Sammlung in Hamburg und Göttingen resultiert eine gemeinsame Verantwortung beider Einrichtungen für die Provenienzforschung und gegenüber den Herkunftsgesellschaften, von denen die ancestral human remains stammen“, so Stoecker. „Dem entspricht die Verbundstruktur des Projekts.“ Da Rückgabegesuche aus Australien, Palau und Namibia an die Universität Göttingen herangetragen wurden, wird die Untersuchung dieser Konvolute vorranging behandelt.
Kontakt:
Dr. Holger Stoecker
Georg-August-Universität Göttingen
Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte
Heinrich-Düker-Weg 14
37073 Göttingen
E-Mail: holger.stoecker@uni-goettingen.de