Annika Mittelstädt


Was für ein Studium haben Sie an der Universität Göttingen absolviert?/ In welchem Bereich haben Sie an der Universität Göttingen promoviert?
Im Bachelor habe ich noch auf Lehramt studiert mit den Fächern Deutsch und Geschichte. Ich habe dann aber gemerkt, dass mir vor allem der linguistische Teil am Deutschstudium gefällt und daher einen fachwissenschaftlichen Linguistik-Master angeschlossen – bin also glücklicherweise doch keine Lehrerin geworden.

Aus welchem Grund haben Sie sich gerade für Göttingen als Studien-/ Promotionsstandort entschieden?
Ich habe nicht groß über meinen Studienstandort nachgedacht. Ein Freund hatte mir Göttingen empfohlen. Das hat mir als Kriterium gereicht.

Was ist Ihnen besonders positiv während Ihrer Zeit als Student*in/ Doktorand*in in Erinnerung geblieben? Gab es etwas, das Sie überrascht hat?
In meiner Zeit als Studentin habe ich die Freiheit in der Themenwahl sehr genossen. Ich konnte viele Dinge ausprobieren und schauen, was mich anspricht oder welche Themen mich eher langweilen. Dadurch habe ich meine eigenen Interessen und letztlich mich selbst immer besser kennengelernt, sodass ich – auch wenn ich ohne konkreten Berufswunsch in den Master gestartet bin – schließlich immer genauer einkreisen konnte, in welche Richtung mein Berufsleben gehen soll.

In welchem Bereich haben Sie nach Ihrem Abschluss gearbeitet oder arbeiten Sie derzeit?
Derzeit arbeite ich im Integrationsfachdienst für hörbehinderte Menschen in Göttingen. Wir betreuen hörbehinderte Menschen im Arbeitsleben, unterstützen also zum Beispiel beim Schreiben von Anträgen, begleiten bei Vorstellungsgesprächen sowie Einarbeitungen und stehen als Ansprechpartner*innen bei Problemen im Betrieb zur Verfügung. Außerdem informieren wir Arbeitgeber*innen über Fördermöglichkeiten. Dafür muss ich zwar berufsbegleitend noch einen Bachelor in Sozialer Arbeit machen, aber durch das Linguistik-Studium bin ich überhaupt erst mit der Gebärdensprache in Kontakt gekommen. Es hat mir also einen vollkommen neuen Horizont eröffnet, der mir vorher nicht mal bekannt war.

Wie hilft Ihnen das im Studium/ während der Promotion erworbene (linguistische) Wissen in Ihrem beruflichen Alltag?
Durch die Kenntnis linguistischer Strukturen auch aus anderen Laut- und Gebärdensprachen ist es mir möglich, besser mit meinen Klient*innen zu kommunizieren. Durch das Linguistik-Studium habe ich mich damit beschäftigt, wie Sprache aufgebaut ist, wie sie im Kopf verarbeitet wird und welche darunterliegenden Strukturen es gibt. Deshalb kann ich besser nachvollziehen, wie ich eine Aussage formulieren muss, damit mein Gegenüber diese gut verstehen kann. Ich habe also einen bewussteren Umgang mit Sprache und kann viele „Stolpersteine“ erkennen, die bei der Nutzung von Sprache zwangsläufig vorkommen.

Wem würden Sie ein Studium/ eine Promotion in der Linguistik empfehlen?
Wenn man aus der Schule kommt und denkt, dass man jetzt alle grammatischen Regeln kennt und das alles ist, was es zu wissen gibt, dann hat man nur die halbe Wahrheit vermittelt bekommen. Interessant wird es in den Räumen der flexiblen Sprachnutzung dazwischen, wenn man sich beispielsweise fragt, warum die Aussage „Der Müll steht ja immer noch da“ nicht als bloße Tatsachenbeschreibung, sondern eher als Aufforderung verstanden wird. Deshalb ist es auch nicht unbedingt wichtig, ob man gut darin ist, sich französische Vokabeln, die deutsche Rechtschreibung oder die lateinische Grammatik zu merken. Entscheidender ist eine gewisse Neugier, was dahinter steckt, wenn Menschen sich in der Kommunikation missverstehen, warum bestimmte Dinge so ausgedrückt werden wie sie ausgedrückt werden, inwiefern Gesten zur Sprache gehören und wie es sein kann, dass für denselben Satz manche Lesarten zustande kommen, andere aber nicht.
Um es kurz zu fassen: Linguistik verbindet Struktur/Regelhaftigkeit mit Flexibilität und Kreativität, der Studiengang ist in meinem Empfinden also geeignet für Menschen, denen Naturwissenschaften zu regelhaft und Literaturwissenschaften zu frei interpretierbar sind. Und ein grundsätzliches Interesse an Sprache ist sicherlich auch recht nützlich.