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GEORG-AUGUST-UNIVERSITÄT GÖTTINGEN
THEOLOGISCHE FAKULTÄT
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THEOLOGISCHE FAKULTÄT
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In memoriam Robert Hanhart
(* 1925 † 2025)
(* 1925 † 2025)
Am 11. Juli 2025 verstarb in Göttingen Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Robert Hanhart, wenige Tage nach seinem hundertsten Geburtstag. Jahrzehntelang leitete er das Septuaginta-Unternehmen der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und lehrte Altes Testament an der Göttinger Theologischen Fakultät. Acht Bücher der Septuaginta wurden von ihm in der großen kritischen Ausgabe des Septuaginta-Unternehmens ediert, etliche weitere Bände sind unter seiner Leitung erschienen. Er gehörte zu den bedeutendsten Septuagintaforschern weltweit. Auch ein Kommentar zum Buch Protosacharja (Sacharja 1–8) sowie grundlegende Studien zum hellenistischen Judentum stammen von seiner Hand.
Robert Hanhart wurde am 6. Juli 1925 in St. Gallen geboren. Nach dem Abitur an der Kantonsschule St. Gallen studierte er in Zürich und Basel Theologie und wurde 1951 ordiniert. Anschließend studierte er in Basel Geschichte und wurde 1954 bei Werner Kaegi mit einer Dissertation über „Das Bild der Jeanne d’Arc in der französischen Historiographie des Spätmittelalters bis zur Aufklärung“ (Basel 1955) promoviert.
Bereits 1955 trat Robert Hanhart als wissenschaftlicher Mitarbeiter in das Göttinger Septuaginta-Unternehmen ein, wo er sich sogleich der Editionsarbeit widmete. Mit der Untersuchung „Zum Text des 2. und 3. Makkabäerbuches“ (1961) wurde er 1962 an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen zum Dr. theol. promoviert. 1965 verlieh ihm die Fakultät aufgrund seiner Edition des Buches Esther die venia legendi für Altes Testament mit besonderer Berücksichtigung der Septuagintaforschung. 1967 wurde er zum außerplanmäßigen und 1977 zum ordentlichen Professor an der Theologischen Fakultät ernannt, wo er bis 1990 gelehrt hat.
Von 1961 bis 1993 hat Robert Hanhart die Arbeitsstelle des seit 1908 bestehenden Septuaginta-Unternehmens geleitet. Unter seiner Ägide erschienen von 1974 bis 1991 die kritische Edition des Pentateuchs von John William Wevers (1919–2010) sowie wesentliche Teile der Göttinger Septuaginta. Neben Joseph Ziegler und John Wevers ist Hanhart einer der drei großen Herausgeber dieses monumentalen Werks geworden: Die Editionen des Zweiten (1959) und des Dritten Makkabäerbuches (1960) wurden von ihm vollendet. Von seiner Hand stammen die Editionen der Bücher Esther (1966, 2. Aufl. 1983), 1 Esdras (1974, 2. Aufl. 1991), Judith (1979), Tobit (1983) und 2 Esdras (1993). Mit dem Zweiten Chronikbuch (2014) beschloss er sein editorisches Wirken; das Erste Chronikbuch wurde von Hanhart augenzwinkernd wegen der genealogischen „Vorhölle“ gemieden. In monographischer Form bearbeitete er die Textgeschichte des Zweiten und des Dritten Makkabäerbuches, des Ersten Esrabuches und der Bücher Judith und Tobith. Bei den Editionsprinzipien ließ er sich von Alfred Rahlfs leiten, den er über alle Maßen schätzte und dem er auf dem Göttinger Stadtfriedhof einen Gedenkstein errichten ließ. Die Editio altera der von Alfred Rahlfs 1935 herausgegebenen „Handausgabe“ der Septuaginta, erschienen 2006 bei der Deutschen Bibelgesellschaft, trägt auch Hanharts Namen.
In der alttestamentlichen Exegese widmete sich Hanhart namentlich dem Buch Sacharja, zu dessen erstem Teil „Protosacharja“ (Sacharja 1–8) er im „Biblischen Kommentar“ eine theo-logisch tiefgründige Auslegung vorlegte (1998 vollendet). 1999 erschien ein Sammelband mit grundlegenden Studien Hanharts „zur Septuaginta und zum hellenistischen Judentum“, die von Entstehung, Wesen und Wirkung der Septuaginta und der Göttinger Septuagintaforschung handeln. Auf den Spuren von Isac Leo Seeligmann, mit dem ihn ein freundschaftliches, von gegenseitiger Wertschätzung geprägtes Verhältnis verband, sah er in der griechischen Übersetzung einen Akt der Bewahrung der Tradition und zugleich der Auslegung und Aktualisierung. Das Selbstverständnis des hellenistischen Judentums steht in dem Beitrag „Zur geistesgeschichtlichen Bestimmung des Judentums“ im Zentrum, in dem Hanhart – auf den Spuren von Jacob Burckhardt – der Frage nachgeht, inwieweit die Übersetzung der Septuaginta eine geistesgeschichtliche Zäsur und den Beginn des Judentums markiert. Eine Art Summe seiner Sicht bietet die Abschiedsvorlesung aus dem Jahr 1990 zum „status confessionis Israels in hellenistischer Zeit“.
Bereits 1980 verlieh die Universität Helsinki Robert Hanhart die Ehrendoktorwürde, 1999 erhielt er einen weiteren Ehrendoktor von der Universität Bologna. Zu seinem 65. Geburtstag und seiner Emeritierung wurde Hanhart eine erste Festschrift gewidmet, die von seinen langjährigen Mitarbeitern Detlef Fraenkel und Udo Quast sowie von John William Wevers herausgegeben wurde. 2009 rief Hanhart zur Förderung der Septuagintaforschung eine nach ihm benannte Stiftung an der Akademie der Wissenschaften ins Leben. Zu seinem hundertsten Geburtstag gaben Felix Albrecht und Reinhard G. Kratz eine weitere umfangreiche Festschrift heraus, die der Jubilar noch entgegennehmen konnte.
Hanharts herausragende Gelehrsamkeit war von warmherziger Menschlichkeit begleitet. Generationen von Schülerinnen und Schülern erinnern sich an seinen feinen Humor und die unvergleichliche Geduld, mit der er auch die komplexesten Fragen der Textkritik erläuterte. Den Bleistift, mit dem er seine Manuskripte verfasste, mochte er mehr als den Computer, in den diese anschließend eingegeben werden mussten. Seine Liebe zu Mozart verknüpfte er gern mit der peniblen Praxis, sämtliche Nummern des Köchel-Verzeichnisses in ihrer Folge zu hören.
Mit Robert Hanhart verliert die Septuagintaforschung ihren bedeutendsten Herausgeber und die Göttinger Universität einen Sprachgelehrten und Alttestamentler von hohem Rang. Seine Editionen sind philologisch-textgeschichtliche Grundlagenwerke; seine Stiftung trägt sein Erbe weiter. Das alttestamentliche Seminar und die Theologische Fakultät der Universität Göttingen sowie die Septuaginta-Kommission der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen werden Robert Hanhart in dankbarer Erinnerung behalten.
Göttingen, im Juli 2025
Prof. Dr. Reinhard Müller (alttestamentliches Seminar und Dekan der Theologischen Fakultät)
Prof. Dr. Reinhard G. Kratz (alttestamentliches Seminar und Vorsitzender der Leitungskommission des Septuaginta-Unternehmens)